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Frieden und Emanzipation?

Über zutreffende und weniger zutreffende Erklärungen zunehmender Einkommensungleichheit in Deutschland

Peace and emancipation? About some accurate and some less accurate explanations of rising income inequality in Germany

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Zusammenfassung

Der Beitrag überprüft die These, dass zunehmende Bildungsbeteiligung insbesondere der Frauen, zunehmend bildungshomogene Partnerschaften sowie das Ausbleiben kriegerischer Auseinandersetzungen und dramatischer Wirtschaftskrisen die zunehmende Einkommensungleichheit in Deutschland in den letzten Jahrzehnten erklären. Daten der OECD und eigene empirische Analysen mit dem Sozio-Ökonomischen Panel für den Zeitraum 1985–2011 zeigen, dass Bildungsbeteiligung, die zunehmende Anzahl an Ein-Personen-Haushalten und veränderte Partnerpräferenzen in Deutschland eher einen geringen, teils sogar gegenläufigen Beitrag zur Zunahme der Einkommensungleichheit leisten. Diese ist eher ein Produkt der besseren Einkommenschancen der Bessergestellten aufgrund des technologischen Wandels, der Beschäftigungsmöglichkeiten in einer globalisierten Welt, der Deregulierung der Finanzmärkte und einer geringeren Besteuerung der hohen Einkommen.

Abstract

This article tests the hypothesis that (especially female) educational expansion, homogamous partnerships and the absence of wars and dramatic economic crises explain increasing income inequality in Germany in the recent decades. Data of the OECD and own analyses using data from the German Socio-Economic Panel show that in Germany the contribution of educational expansion, of increasing numbers of one person households, and of changing partner preferences to rising rates of income inequality is rather modest and sometimes even negative. The rise in income inequality is much more a product of increasing income chances for the better off due to technological change, increasing employment possibilities in a globalized world, more investment options in deregulated financial market and lower tax rates for high incomes.

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Abb. 1
Abb. 2

Notes

  1. Die Armutsdefinition der EU verwendet 60 % des Medianeinkommens. Wir verwenden das 50 %-Kriterium, weil die verwendeten OECD Berichte dafür Werte für mehr Länder und Zeitpunkte enthalten als für das 60 %-Kriterium.

  2. Die Zahlen beruhen auf Daten des Sozio-ökonomischen Panels. Verwendet wurden die Nettohaushaltseinkommen, die mit Hilfe der „neuen“ OECD-Skala in bedarfsgewichtete Pro-Kopf-Einkommen umgerechnet wurden (vgl. Abschn. 3). Hierbei wird das erste erwachsene Haushaltsmitglied mit einem Gewicht von 1 berücksichtigt. Kinder unter 14 Jahren erhalten ein Gewicht von 0,3 und alle weiteren Haushaltsmitglieder ein Gewicht von 0,5.

  3. Die verfügbaren Haushaltseinkommen wurden durch die Quadratwurzel der Haushaltsgröße geteilt. Diese Transformation unterstellt Einsparungen durch die gemeinsame Haushaltsführung, nicht aber unterschiedliche Einkommensbedarfe für Haushaltsmitglieder unterschiedlichen Alters. Nach dieser Transformation wird das bedarfsgewichtete Pro-Kopf-Einkommen den Daten jedes Haushaltsmitgliedes hinzugefügt und die Ungleichheit dieser Einkommen berechnet. Analyseeinheiten sind dabei die Personen (und nicht die Haushalte).

  4. Aus der Kombination von drei verschiedenen Bildungsniveaus des Mannes und der Frau ergeben sich insgesamt neun verschiedene Haushaltstypen. Rechnet man noch die männlichen und weiblichen Ein-Personen-Haushalte (wiederum differenziert nach Bildungsniveau) hinzu, ergeben sich insgesamt 15 verschiedene Haushaltstypen. Mit Hilfe log-linearer Modelle wurde die Häufigkeit jedes Haushaltstypes für jedes Jahr des Untersuchungszeitraums als Funktion von Parametern der Bildungsbeteiligung, der Singleneigung und der Partnerpräferenzen (Homogamie- und Hypergamieneigung) vorhergesagt. Ziel in diesem Schritt war es, ein möglichst sparsames, aber gut passendes Modell für die jährlichen Verteilungen der Haushaltstypen zu finden. Dabei wurde angenommen, dass sich Bildungsbeteiligung, Singleneigung und Partnerpräferenzen im Zeitablauf verändern können (d.h., es wurden zeitveränderliche Parameter geschätzt). In einem zweiten Untersuchungsschritt wurden die o.g. kontrafaktischen Szenarien simuliert, indem die jeweiligen (zeitveränderlichen) Parameter des log-linearen Modells auf die Werte für 1985 fixiert wurden. Mit diesen abgeänderten log-linearen Modellen lassen sich wiederum jahresspezifische Verteilungen der Haushaltstypen berechnen. Sie geben an, wie häufig die einzelnen Haushaltstypen vorkommen würden, wenn das entsprechende kontrafaktische Szenario zutreffen würde. In einem dritten Untersuchungsschritt wurden die Untersuchungspersonen, je nachdem, welchem Haushaltstyp sie in den einzelnen Jahren des Untersuchungszeitraum angehörten, mit den kontrafaktischen Häufigkeiten ihres Haushaltstypes „umgewichtet“. Auf der Basis dieser „umgewichteten“ Daten wurde die kontrafaktische (personelle) Einkommensungleichheit berechnet. Sie kann mit der faktischen (personellen) Ungleichheit verglichen werden (siehe Tab. 3).

  5. Als Gewichtungsschema wurde die „alte“ OECD-Skala verwendet, die das erste erwachsene Haushaltsmitglied mit einem Gewicht von 1 berücksichtigt. Kinder unter 14 Jahren erhalten ein Gewicht von 0,5 und alle weiteren Haushaltsmitglieder ein Gewicht von 0,7. Es werden die von der SOEP Gruppe bereitgestellten Jahreshaushaltseinkommen nach Steuern und Transfers verwendet, ergänzt um den Mietwert des selbst genutzten Wohneigentums.

  6. Weitere Szenarien sind denkbar, für die Analyse der Argumente von Aly jedoch nicht einschlägig. Die quantitativ bedeutsamste sozialstrukturelle Veränderung im Untersuchungszeitraum ist die zunehmende Bildungsbeteiligung, insbesondere die der Frauen. Von daher wird sie in jedem Szenario mit kontrolliert.

  7. Die Korrelation der Veränderungsraten der Einkommen und der Zuwächse der Einkommensungleichheit beträgt −0,44.

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Andreß, HJ. Frieden und Emanzipation?. AStA Wirtsch Sozialstat Arch 8, 7–31 (2014). https://doi.org/10.1007/s11943-014-0137-6

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