Open Banking ist ein Schlagwort, das man in letzter Zeit immer öfter hört. Wir sprachen mit Vincenzo Fiore, CEO bei Auriga, über das Thema.
Das Gespräch führte Peter Pagel
Was versteht man unter dem Schlagwort „Open Banking“?
Open Banking kann als ein Modell der Zusammenarbeit bezeichnet werden, bei dem Bankdaten mittels Programmierschnittstellen (APIs) zwischen zwei oder mehreren Drittanbietern wie beispielsweise FinTechs oder Third-Party Players geteilt werden. Dadurch entstehen auf dem Finanzmarkt neue, vielfältige Geschäftsmöglichkeiten. Denn indem Drittanbietern Zugang zu Kundendaten gewährt wird, wird auch ihre Kreativität angespornt. Open Banking eröffnet neue Chancen, innovative Produkte einzuführen, während man Kunden Transparenz und eine omnipräsente Banking-Erfahrung bietet.
Das Ziel von Open Banking ist es zum einen, Verbrauchern mehr Kontrolle über ihre Daten zu geben. Zum anderen sollen Kunden zu mehr finanzieller Mobilität ermutigt werden. Denn indem Kontodaten analysiert werden dürfen, wird es den Verbrauchern auch erleichtert, Angebote für Bankkonten miteinander zu vergleichen. Für Banken bedeutet diese Entwicklung, dass ihre Entscheidungen strategisch gut durchdacht sein müssen, um ihre Unternehmensmodelle weiterzuentwickeln, wenn sie weiterhin ihre Schlüsselposition in der Finanzindustrie behalten möchten.
Wie steht es dabei mit dem Datenschutz?
Da Banken über die genannten APIs legitimierten FinTechs und anderen Wettbewerbern Daten ihrer Kunden zur Verfügung stellen, ist Datenschutz keine Freiwilligkeit, sondern ein Muss. Deshalb müssen sie bei der Erstellung ihrer Open- Banking-Strategie stets die potenziellen Risiken berücksichtigen, die sich aus der Einhaltung des Datenschutzes und dem Schutz der Kundendaten ergeben. Das stellt die Infrastruktur der Banken vor gewaltige Herausforderungen.
Mit der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) wird 2018 für Banken zum „kritischen Jahr“, in dem sie dafür Sorge tragen müssen, die persönliche Daten ihrer Kunden richtig zu verwalten. Es ist durchaus zu erwarten, dass Verbraucher sich durch die neuen Datenschutzgesetze dazu befugt fühlen, ihre Bank danach zu fragen, wie und wofür ihre personenbezogenen Daten verwendet werden. Ein Großteil der Banken ist auf diese Entwicklung bereits gut vorbereitet und dennoch wird die Bedeutung der DSGVO für einige überraschend sein.
Was können FinTechs Kunden bieten, was Banken nicht können?
Obwohl FinTechs relativ neue Teilnehmer auf dem Finanzmarkt sind, sind sie bereits in der Lage ihren Kunden personalisierte und sehr attraktive Produkte und Dienstleistungen anzubieten. Das gelingt ihnen durch ihre agilen Prozessstrukturen und weil sie die neusten Technologien nutzen. Zudem sind sie erfolgreich darin zu erkennen, in welchen Bereichen sie Kunden mit relevanten und ansprechenden Angeboten anlocken können. Laut dem World Retail Banking Report 2017 von Capgemini und Efma unterhält fast ein Drittel der Bankkunden Geschäftsbeziehungen zu mindestens einem nicht-traditionellen Kreditinstitut — das fördert die Ausbreitung von FinTechs. Sie wenden innovative Methoden an, um ein nahtloses und verbessertes Kundenerlebnis zu bieten, ohne dabei durch Legacy-Systeme behindert zu werden.
Ihr großes Plus: Hinter FinTechs steckt eine kostengünstige Infrastruktur und sie sind nicht nur in ihren Prozessen, sondern auch in ihrer Arbeitsweise sehr flexibel und agil. Dadurch können sie sich viel schneller an die sich verändernden Marktanforderungen und Kundenwünsche anpassen. Im Gegensatz dazu fällt es Banken noch schwer, mit den neuen Wettbewerbern mitzuhalten. Das liegt zum einen an den gestiegenen Kundenerwartungen und den strengen Vorschriften sowie an den Unternehmenskulturen vergangener Tage, dem Kostendruck und alten Legacy-Systemen.
Werden FinTechs Banken in Zukunft überflüssig machen?
Nein, Banken werden nach wie vor wichtig sein. Es ist eher damit zu rechnen, dass Kooperationen zwischen den traditionellen Kreditinstituten und FinTechs entstehen, als dass Banken überflüssig werden und schließen. Laut dem World Retail Banking Report 2017 erwarten 91,3 Prozent der Banken und 75 Prozent der FinTechs, dass sie in Zukunft zusammenarbeiten werden. Finanzinstitute werden von den offenen APIs profitieren, denn sie werden dadurch neue Produkte und Dienstleistungen anbieten sowie zusätzliche Einnahmequellen generieren können.
Banken haben gegenüber FinTechs den großen Vorteil, dass sie über eine sehr starke Kundenbasis, hohes Transaktionsvolumen, Infrastruktur und Zugang zu Kapital sowie regulatorische Expertise verfügen. Zudem genießen sie das Vertrauen der Kunden. FinTechs hingegen sind sehr agil und kreativ, was die Entwicklung neuer Finanzprodukte angeht, und sie können Dienstleistungen auf digitalen Plattformen effizienter bereitstellen als Banken. Beide Seiten können von den komplementären Stärken des jeweils anderen profitieren, gemeinsam Daten nutzen und auswerten, um daraus wiederum neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und Einnahmequellen zu generieren.
Überwiegen die Chancen oder die Risiken für Firmen und Verbraucher?
Open Banking und PSD2 bieten sowohl Verbrauchern als auch Banken eine Fülle an Möglichkeiten und Vorteilen. Kunden profitieren von einem besseren Banking-Erlebnis, neuen Services und innovativen Produkten. So können sie mit Hilfe von APIs, die Banken zur Verfügung stellen, beispielsweise Geld über soziale Medien oder andere Schnittstellen überweisen, anstelle den Weg über ein Online- oder Mobil-Banking-Portal zu gehen. APIs unterstützen Banken dabei, die neuesten Entwicklungen im Bereich Vertriebskanäle, einschließlich der Entwicklung neuer Arten von Kanälen und Produkte, zu verfolgen. So ergeben sich für Banken wiederum nachhaltige und zukunftsfähige Geschäftsfelder sowie neue Einnahmequellen.
Banken haben in den vergangenen Jahren einen dramatischen Vertrauensverlust hinnehmen müssen, ist das eine Chance für neue Marktteilnehmer?
In den vergangenen Jahren haben Banken unter anderem aufgrund der niedrigen Zinsen und weil sie die sich veränderten Kundenerwartungen nicht erfüllen konnten an Vertrauen verloren. Das hat den Aufstieg neuer Marktteilnehmer wie FinTechs begünstigt, die den Kunden eine positivere Erfahrung bieten können als traditionelle Banken. Besonders die Generation Y, also die zwischen 1980 und 2000 Geborenen, und Technik versierte Kunden bevorzugen die neuen digitalen Finanzdienstleister. Das zeigt der World Retail Banking Report 2017 von Capgemini und der Efma. Fast die Hälfte (42,6 Prozent) der Technik versierten Kunden und etwa ein Drittel (37,2 Prozent) der Gen-Y-Kunden nutzen nicht-traditionelle Anbieter.
Startups im Finanzbereich stellen allerdings für die meisten Bereiche des Bankwesens keine Bedrohung dar. Damit das so bleibt, müssen Banken neue Technologien schnell bewerten, anpassen und anwenden, um ihre noch nach wie vor klare Marktführerschaft auch auf dem zukünftigen Finanzmarkt behaupten zu können.
Was können Banken tun, um Vertrauen zurückzugewinnen?
Banken müssen den Kunden in den Mittelpunkt ihrer Unternehmensstrategie stellen. Das heißt, sie müssen den Fokus auf Innovationen, die Kunden die Interaktion mit ihren Banken erleichtern, Benutzerfreundlichkeit sowie Sicherheit auf allen Kanälen und die Fähigkeit, schnell neue Produkte und Dienstleistungen auf den Markt zu bringen, legen. Dazu ist es notwendig, die eigene Unternehmensstrategie zu hinterfragen und beispielsweise durch den Einsatz von Predictive Analytics und künstlicher Intelligenz Angebote für Verbraucher und Unternehmen zu verbessern.
Mit Einführung von PSD2 müssen Banken ihren Kunden transparent aufzeigen können, welche Informationen über sie gespeichert und weitergegeben werden, um das Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen und dauerhaft zu sichern. Finanzinstitute müssen ihren Kunden eine bessere Kontrolle über ihre Daten zusichern und gleichzeitig den Schutz ihrer Daten gewährleisten.
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Springer Fachmedien Wiesbaden. „Mit der EU-Datenschutz-Grundver- ordnung wird 2018 für Banken zum kritischen Jahr“. Wirtsch Inform Manag 10, 34–37 (2018). https://doi.org/10.1007/s35764-018-0095-9
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