Orientierung und Problembewältigung durch TV-Talkshows: Empirische Ergebnisse und Erklärungsansätze
Abstract
Zusammenfassung. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung unterhalten tägliche Talkshows nicht nur, sondern werden von einigen Zuschauern zur Orientierung und Problembewältigung eingesetzt. Um diese, eher unpopuläre, Rezeptionshaltung besser verstehen zu können, werden anhand von drei Studien ihre Antezedenzien, Rahmenbedingungen und Konsequenzen untersucht. In der ersten Studie wird in einer Befragung von Teenagern der Frage nachgegangen, inwiefern die individuelle Problembelastung im persönlichen Umfeld zu einer Orientierungssuche in täglichen Talkshows führt und ob Probleme in bestimmten Bereichen (z. B. mit den Eltern) eine Selektion entsprechender Themenbereiche in Talkshows nach sich ziehen. Zur Beleuchtung der Rahmenbedingungen orientierungssuchender Rezeption konzentriert sich die zweite Studie auf die Beziehung der Zuschauer zum Moderator. In einer Befragung von Jugendlichen wird untersucht, inwieweit die Suche nach Orientierung und Information in Talkshows die Intensität und Art der Beziehung zum Host beeinflusst. In der dritten Studie wird in einem qualitativen Ansatz hinterfragt, ob der Wunsch nach einem eigenen Auftritt in der Show als Konsequenz einer involvierten Rezeptionshaltung und des Orientierungsmotivs aufgefasst werden kann. Auf Basis der Erkenntnisse aller drei Studien wird ein dreifaktorielles Erklärungsmodell für die Orientierungssuche in täglichen Talkshows vorgeschlagen, welches die individuellen und sozialen Prädispositionen der Zuschauer, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Charakteristika des Medienangebotes als Bedingungsfaktoren in Betracht zieht.
Abstract. Despite common opinion, daily talk shows do not only entertain their viewers but also offer orientation and help to some of them. For a better understanding of this rather unpopular viewing motive, three studies throw light on its causes and general conditions as well as on its consequences. In a survey among teenagers, the first investigation raises the question of how individual problems in personal surroundings lead to a search for orientation in daily talk shows and if problems within certain spheres (e.g., with parents) induce the selection of corresponding topics in the shows. The second study analyzes viewers’ relationships with their favorite host to look at general conditions of viewing motive orientation. A survey was conducted to examine how the search for orientation and information in talk shows influences the intensity and type of relationship towards the host. The third study investigates, with a qualitative approach, if the desire to be a guest on the show can be considered a consequence of an involved mode of reception and a viewing motive orientation. On the basis of these studies, a model is discussed explaining viewing motive orientation, which takes into account the individual and social predisposition of the viewers, the general societal conditions as well as certain characteristics of talk shows.
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