Wirklich sexy ist heute ein Start-up mit einer disruptiven Produktidee, welches schnell zum Unicorn oder sogar Multicorn wird. Meistens verorten wir so etwas eher in den USA oder in China. Kann man mit fleißiger Informatikarbeit im deutschsprachigen Raum erfolgreiche IT-Unternehmen gründen und entwickeln? Den Beweis dafür tritt dieses Themenheft des Informatik Spektrums an.

Bei zwei solchen IT-Unternehmen durfte ich selbst Mitwirken: bei sd&m von 1992 und 100 Menschen bis 2006 und 1600 Menschen (heute ist sd&m in Capgemini aufgegangen) und bei msg von 2007 mit 2500 Menschen bis 2020 mit über 8000 Menschen. Nach Abschluss meiner aktiven Zeit habe ich eine Reihe von mir bekannten bzw. mir empfohlenen Gründern gefragt, ob sie bereit sind, ihre Geschichte und Erfahrung beizutragen. Der vorliegende bunte Strauß von 13 Unternehmensgeschichten zeigt, was möglich ist.

Es ist keine systematische und schon gar keine wissenschaftliche Analyse des deutschsprachigen IT-Marktes. Die Auswahl ist nach subjektiver Marktkenntnis und Opportunität erfolgt. Trotzdem galten ein paar grundlegende Auswahlkriterien: Der Stammsitz sollte in Deutschland, Österreich oder der Schweiz liegen, das Unternehmen sollte auch heute noch eigenständig sein, d. h. es sollte von null gegründet sein, nicht aus einem Konzern heraus und es sollte umgekehrt auch heute noch in Gründer‑/Geschäftsführer- bzw. Streubesitz sein und nicht Teil eines (anderen) Konzerns. Inhaltlich liegt der Fokus auf Unternehmen, die relativ breit mit IT-/Informatik-Beratung und Software-Entwicklung an den Markt gehen, keine überwiegend auf Erstellung von (Standard‑) Softwareprodukten ausgerichtete Unternehmen. Es sollten sowohl jüngere Gründungen sein, etwa 10 Jahre und älter, als auch Häuser der ersten Generation mit Gründung in den 1980er-Jahren und davor. Ausgeschlossen waren ganz frische Start-ups, weil eine über einige Jahre erlebte, nachhaltige Erfahrung sichtbar gemacht werden sollte.

Ich bin begeistert über das vorliegende Spektrum. Es zeigt, was möglich ist mit harter, ehrlicher Arbeit und das dies fernab der Scheinwerfer des Silicon Valley im deutschsprachigen Raum immer wieder möglich ist. Das Spektrum ist breit: Sechs Unternehmen sind dabei, die sehr lange am Markt sind (Zühlke: 1968, Materna, msg: 1980, Ergon: 1984, Fabasoft: 1988, MaibornWolff: 1989), fünf Unternehmen sind rund um die Jahrtausendwende, man könnte auch sagen rund um das Platzen der Internet-Blase, gegründet (iteratec: 1996, adesso: 1997, TNG: 2001, itestra: 2003, QAware: 2005), die beiden jüngsten sind rund 10 Jahre am Markt (Accso: 2010, eXXcellent solutions: 2012). Dabei korrelieren Alter und Unternehmensgröße nicht durchgehend. adesso ist in rund 25 Jahren auf über 5000 Menschen gewachsen, Ergon ist in rund 35 Jahren auf „nur“ 350 gewachsen. Die Ziele und Ideen sind offensichtlich sehr unterschiedlich.

Es lassen sich trotzdem starke Gemeinsamkeiten ausmachen: Bei allen Unternehmen spielt das Thema Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eine überragende Rolle. Viele nehmen für sich in Anspruch hier einen ganz besonderen Ansatz zu haben. Häufig wird eine fokussierte Sparsamkeit in der Gründungsphase genannt. Soweit nachvollziehbar waren alle vom Start weg oder spätestens nach einem Jahr in den schwarzen Zahlen.

Unterschiede liegen vor allem im Tempo des Wachstums und dabei auch in der Entscheidung, ob dieses auch nicht-organisch, d. h. über Unternehmensakquisitionen erfolgt. Die meisten Gründungen erfolgten sehr früh im Werdegang der Gründer, oft direkt nach dem Studium. Ein paar andere erfolgten als Spin-off aus Angestelltenverhältnissen bei ähnlichen Unternehmen heraus (Accso, eXXcellent solutions, iteratec). Die älteren Unternehmen mussten bereits die Nachfolge der Gründer in der Führung organisieren (Zühlke, Materna, msg, Ergon).

Dieses Heft möchte ermuntern für unternehmerische Informatikarbeit im deutschsprachigen Raum. Der Lohn des Einsatzes über die Zeit ist hoch: Neben dem Angestelltengehalt, lockt der Unternehmensgewinn und schließlich auch noch der Aufbau des Unternehmenswertes. Hinzu kommt die Befriedigung des Schaffens und die starke Selbstbestimmtheit.

Als Herausgeber und ehemals (nur) angestellter Manager verneige ich mich vor dem Mut und Unternehmergeist der Gründer, die – ohne disruptive Produktidee – spannende Informatikarbeitsplätze und Unternehmenswerte geschaffen haben. Danke für die Bereitschaft, einen gewissen Einblick für die Leserinnen und Leser des Informatik Spektrums zu geben.