Nach Weihnachten vermeldete die Presse den 50. Jahrestag der Patentierung von Ernö Rubiks sogenanntem Zauberwürfel Rubik’s Cube. Im Herbst 1979 wurde er dann auf der Spielwarenmesse in Nürnberg vorgestellt. 1980 bekam ich ihn zu Weihnachten. Wir hatten ihn im Skiurlaub dabei, aber er war meist bunt-dekorativ. Niemand von uns konnte ihn anders lösen, als ihn mechanisch auseinanderzubauen und korrekt zusammenzusetzen. Dem Hype um den Würfel folgten natürlich schnell auch Büchlein mit Lösungsbeschreibungen. 1980 hatte ich mit dem Informatikstudium begonnen. Ab dem zweiten Semester lernten wir DAS, Diskrete Algebraische Strukturen kennen – leider erfuhr ich erst Jahrzehnte später, dass der Rubik Cube ein Anwendungsfall für Gruppentheorie gewesen wäre. Vermutlich hätte es uns motiviert, sich näher mit diesen „DAS“ zu befassen. Wir überlegten damals auch schon immer, ob man mit den uns verfügbaren Rechnersystemen schon Suchalgorithmen für Spiele programmieren könnten. Doch dafür war es noch zu früh. Ich erwarb meinen ersten Rechner im Jahr 1982: ein Sinclair ZX81 zusammen mit der 16-KB-Speichererweiterung. Das Grundgerät hatte nur 1 KB. Durch eine freundliche Spende der Elektronikfirma Sasse konnte ich dieses Gerät zumindest mit einer richtigen Tastatur versehen. Viele Tasten waren 5‑fach belegt, und die originale Folientastatur war für eine effiziente Benutzung reichlich unbrauchbar.

Während der Zeit meiner Promotion arbeitete ich mit frühen Parallelrechnern. Im Praktikum für die Studierenden ließen wir einen Suchbaum für das Geduldsspiel Solitaire nach Lösungen durchsuchen. Das ging leidlich, solange man nur eine Lösung suchte. Die Aktivitäten im Bereich des Computerschach verfolgten wir mit großem Interesse. 1997 bezwang erstmals ein Rechnersystem einen amtierenden Schachweltmeister: Deep Blue gegen Garry Kasparov, 3½:2½. Die Algorithmen beinhalteten keine Lernverfahren, sondern stützten sich auf abgespeicherte Informationen von Stellungen und Zügen. Dies motivierte uns, den Suchbaum von Solitaire vollständig durchzurechnen. Mit geschickten Optimierungen und unter Berücksichtigung von Dreh- und Spiegelsymmetrien auf dem Spielfeld gelang uns dies. Für den Suchbaum ergeben sich 5,8*10^20 Blätter, also Endpositionen ohne Möglichkeit der Fortsetzung. Darunter sind 4,1*10^16 Lösungen, also Stellungen, bei denen der letzte verbleibende Stecker in der Mittelposition landet. Vermutlich ist das Verhältnis der beiden Zahlen von etwa 1:14.000 der Grund, dass man händisch eine Lösung für Solitaire finden kann. Algorithmen und Ergebnisse veröffentlichten wir damals in der Computerzeitung c’t. Sie finden es dort im Archiv.

Im Großen wurde weiter daran gearbeitet, Computern beizubringen, Menschen bei ihren Spielen zu übertrumpfen. Im Jahr 2011 gelang es IBM mit Watson, die weltbesten Spieler in Jeopardy! zu besiegen. Watsons Methodik bestand damals bereits darin, möglichst viele verfügbare Informationen aus dem Internet zu scannen und zu analysieren, um sie in geeigneter Form bei der Suche nach Lösungen zu Fragen im natürlichsprachlichen Bereich zu nutzen. Lernverfahren hatten in der Folge eine rasante Erfolgskurve. Auf der Liste der menschenerdachten Spiele stand an der Spitze immer noch Go. Man ging davon aus, dass menschliche Go-Spieler nicht von Computern besiegt werden könnten. Ein Irrtum. Im Jahr 2016 besiegte Google DeepMinds AlphaGo den amtierenden Weltmeister Lee Sedol haushoch. Das Programm nutzte hierzu sogenanntes Reinforcement Learning, ein Verfahren, das Arthur Samuel bereits 1952 einsetzte, um auf einer IBM 701 ein Dame-Programm zu entwickeln. Dieser Rechner spielte damals tausende Partien gegen sich selber, um eine frühe Form eines neuronalen Netzes zu erstellen, mit dem ein Computer Dame spielen kann. Dame als Spiel wurde 2007 bewältigt, als Jonathan Schaeffer eine Datenbank mit 39 Bill. Endspielstellungen erzeugt.

Zurück zu Go. Auf AlphaGo folgt AlphaGo Zero, eine Variante, die nur die Spielregeln kennt und ansonsten ihr Wissen erwirbt, indem sie gegen sich selber spielt. Nach 3 Tagen Training übertrumpfte AlphaGo Zero seinen Vorgänger in 100 Partien mit einem Sieg von 100:0. Google DeepMind verallgemeinert das Konzept in AlphaZero. Computer gewannen kurz danach auch in Spielen wie z. B. Texas-Hold’em, einer Pokervariante. Game Over für den Homo Ludens. Auch diese Nische menschlicher Überlegenheit wurde uns genommen.

Die gegenwärtigen Fortschritte im Bereich der Künstlichen Intelligenz und des Maschinellen Lernens lassen erwarten, dass es nicht die letzte verlorene Nische sein wird. Lassen wir uns dadurch nicht frustrieren: Noch hat keine künstliche Intelligenz auch nur ein einziges Spiel erfunden. Würde sie es allerdings, wir würden es vermutlich nicht begreifen, geschweige denn sie darin besiegen können. Aber vielleicht generiert sie ja etwas in der Unterkategorie „Für Menschen von 8–80 Jahren“. Wir sollten ein Auge darauf haben – und vielleicht die Hand am Notausschalter.