Im Rahmen des transnationalen Projektkurses „Intercultural perspectives on information literacy” fand am 30. Januar 2021 eine Online-Tagung statt. Das Projekt „Intercultural perspectives on information literacy” (IPIL) zielt darauf ab, durch einen gemeinsamen Lernraum für Studierende aus unterschiedlichen Ländern die interkulturelle Kompetenz am Gegenstand der Informationskompetenz zu fördern. Die Förderung wird durch den DAAD mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Rahmen der Ausschreibung „International Virtual Academic Collaboration“ ermöglicht.
Die Online-Tagung „Intercultural perspectives on information literacy” wurde von Professor Dr. Joachim Griesbaum (Stiftung Universität Hildesheim, Institut für Informationswissenschaft), Dr. Tessy Thadathil (Symbiosis College of Arts and Commerce Pune, Indien), Sophie März (Stiftung Universität Hildesheim, Institut für Informationswissenschaft), Dr. Jini M. Jacob (Symbiosis College of Arts and Commerce Pune, Indien) und Theresia Woltermann (Stiftung Universität Hildesheim, Institut für Informationswissenschaft) organisiert. Der Einladung folgten rund 150 internationale Teilnehmende, unter anderem aus Indien, den USA, Niederlande, Südafrika, Bosnien und Herzegowina und Deutschland. Ziel der Tagung war es, die Ergebnisse des Projektkurses vorzustellen und einen Diskursraum zu interkulturellen Perspektive der Informationskompetenz zu schaffen.
Den Beginn der virtuellen Veranstaltung machte ein kurzes Grußwort von Herrn Prof. Dr. Griesbaum, gefolgt von zwei Studierendenbeiträgen. Nach einer längeren Mittagspause schloss sich eine Keynote sowie zwei weitere Studierendenbeiträge an. Den Abschluss bildete ein Workshop.
Im Rahmen des Projektkurses erarbeiteten die Teilnehmenden Vorträge zu folgenden Themen:
Informationsverhalten in Corona-Zeiten
Der Bestätigungsfehler (confirmation bias): „Was ich glaube, ist sicher wahr.“ Wie man kognitive Fehler korrigiert, um einen offenen Geist zu fördern.
Auswirkungen der Pandemie auf den Bildungssektor
Kultivierung von Informationskompetenz in ländlichen Umgebungen
Die Vorträge wurden auf der Tagung von den Studierenden präsentiert und im Plenum diskutiert.
Ergänzend hatte man mit Dr. Thomas P. Mackey und Trudi E. Jacobson renommierte Fachleute für eine Keynote zum Thema „Metaliteracy und offene Lernumgebungen“ gewonnen. Schließlich gab es einen Workshop zu kulturellen Aspekten von Informationskompetenz, indem auch Weiterentwicklungsmöglichkeiten des Projekts diskutiert wurden. Nachfolgend werden die einzelnen Sessions der Tagung näher vorgestellt.
Informationsverhalten in Corona-Zeiten
Büsra Ürker, Ria Sewlani, Neha Kumar, Atharva Tidke und Daniela Hofmann (Symbiosis College of Arts and Commerce Pune und Universität Hildesheim) befassten sich mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Informationsverhalten. Dies habe sich so verändert, dass die Relevanz von glaubwürdigen Informationen als Gegenpol zu Fake News noch einmal signifikant zunahm. Eine kritische Betrachtung von Informationen sei insbesondere während der Krise essenziell. Dadurch gebe es auf Seiten der Rezipierenden größeres Interesse an staatlichen Informationsportalen, Nachrichtenkanälen, aber auch Social Media-Netzwerken wie Twitter. Gefühle der Angst und der Überforderung durch Informationsüberfluss seien ebenfalls gestiegen. Des Weiteren könne eine Informationsvermeidung beobachtet werden. Diese resultiere aus einem Überangebot an Informationen und gefolgter Überforderung. Die vorgestellte Forschung wurde durch eine nicht-repräsentative Umfrage im Umfeld der Studierenden erweitert. Diese bestätigte die bereits genannten Annahmen und stellte lokale Aspekte aus Indien und Deutschland in den Fokus. In Deutschland sei es aus Sicht der Befragten aufgrund der Pandemie zu einer Agitation in der deutschen Medienlandschaft sowie einer gesellschaftlichen Spaltung gekommen. In Indien sei die Berichterstattung rund um das Coronavirus als aufgebauscht wahrgenommen worden. Medien aus anderen Ländern werden als ethischer eingeordnet. Eine weitere, im Plenum diskutierte Frage bezog sich auf das Zusammenspiel von Fake News in Bezug auf Corona und Social Media. Hier sei neben dem aktiven Einschreiten der Plattformen vor allem auch ein kritisches Hinterfragen der Individuen essentiell.
„Was ich glaube, ist sicher wahr.“
Isha Singh, Ishita Girme Saurav Bhardwaj, Shayantani Kundu, Alica Hoffmann und Rieka Giese (Symbiosis College of Arts and Commerce Pune und Universität Hildesheim) thematisierten in ihrem Vortrag das kognitive Phänomen des Bestätigungsfehlers (confirmation bias). Es wurde deutlich, wie viel Einfluss dieser unterbewusste Prozess auf das Informationsverhalten eines Individuums haben kann. Die Schwierigkeit, den Bestätigungsfehler zu überwinden, bestehe auch dann, wenn man sich dessen bewusst sei. Des Weiteren sei der Bestätigungsfehler unabhängig vom kulturellen Hintergrund sowie Bildungsstand jeder Person inhärent. Der Bestätigungsfehler äußere sich in der Gesellschaft in Form von Verzerrungen und Stereotypisierungen. Verzerrungen stören sowohl die Willens- als auch die Meinungsbildung. Disfluenzen während der Informationsvermittlung können hingegen zu einer analytischeren und tiefgründigeren Auseinandersetzung mit den Informationen führen. Ein weiteres Hilfsmittel zur Ausbildung kritischen Denkens und somit einer zumindest partiellen Überwindung des Bestätigungsfehlers seien zudem die Konfrontation mit Perspektiven, die nicht mit dem eigenen Meinungsbild übereinstimmen. Außerdem könne Aufgeschlossenheit als Korrektiv der epistemischen Eigenheit des Bestätigungsfehlers dienen.
Metaliteracy und offene Lernumgebungen
Dr. Thomas P. Mackey und Trudi E. Jacobson (State University of New York, USA) stellten in ihrem Vortrag das von ihnen entwickelte Konzept der Metaliteracy sowie dessen Umsetzung in offenen Lernumgebungen vor. Metaliteracy erweitere das Konzept der Informationskompetenz um eine kritische Evaluierung von Information sowie eine aktive Partizipation in Onlineumgebungen und schließlich das eigenständige Erhalten, Erstellen und Teilen von Information in kollaborativen Onlineumgebungen. Eine der zentralen Anforderungen an offene Lernumgebunden sei die Anpassung der Ziele des Metaliteracy-Konzepts an die eigenen. Des Weiteren müssen die Lernenden als aktive Mitwirkende begriffen werden, deren Stärken und Potentiale zu ermutigen seien. Zuletzt sollen Aktivitäten entwickelt werden, die eine metakognitive Reflexion stärken. Eine maßgebliche Zielsetzung bei der Implementierung von Metaliteracy in Online-Lernumgebungen sei das Aufbauen einer Community of Trust, die über die eigentliche Lernumgebung hinausgeht. Schließlich wurde argumentiert, dass Metaliteracy ein holistisches Modell sei. Der kulturelle Aspekt sei somit untrennbar und führe dazu, dass Metaliteracy an unterschiedliche kulturelle Voraussetzung angepasst werden sollte.
Auswirkungen der Pandemie auf den Bildungssektor
Marian Hansing, Simran Joshi, Halciyone Biju Mathew, Megha Kaushik, Trupti Senapati und Gülden Coskun (Symbiosis College of Arts and Commerce Pune und Universität Hildesheim) behandelten in ihrem Vortrag die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Bildungssektor. Zunächst gingen die Studierenden auf die Herausforderungen ein, die das E-Learning für die Lehrenden und Lernenden bereithält. Darunter fallen auf Seiten der Lernenden das Fehlen einer stimulierenden Lernumgebung, höhere Zahlen von Schulabbrechenden sowie Probleme der psychischen Gesundheit. Die Lehrenden werden mit einer mangelnden Infrastruktur und asymmetrischer Kommunikation konfrontiert. Ferner werde ersichtlich, dass ärmere und benachteiligte Bevölkerungsteile auch hinsichtlich der Bildung stärker von der Corona-Pandemie betroffen sind. Die Gruppe führte individuelle Interviews in Indien und Deutschland durch. Die Perspektiven der Befragten bestätigten die Thesen in beiden Ländern.
Förderung von Informationskompetenz im ländlichen Raum
Tanisha Singh, Amiya Khadilkar, Srishti Jesingh, Selma Ćebić M. und Gideon O’Donnell (Symbiosis College of Arts and Commerce Pune und Universität Hildesheim) setzten sich mit der Förderung von Informationskompetenz im ländlichen Raum auseinander. Die Arbeit der Gruppe legt nahe, dass es noch immer eine große Diskrepanz zwischen den Ressourcen zur Förderung von Informationskompetenz auf dem Land und in der Stadt sowohl in Indien als auch in Deutschland gibt. Obwohl in Indien mehr als die Hälfte der Menschen und in Deutschland etwas mehr als ein Drittel in ländlichen Regionen wohnen, gebe es in beiden Ländern eine digitale Kluft. Weitere Einflussfaktoren seien Probleme älterer Generationen im Umgang mit dem Informationsfluss sowie von Armut bedrohte Familien, welche vermehrt den Anschluss an die Digitalisierung aufgrund mangelnder Ressourcen verpassen. Aufgrund fehlender Infrastruktur berufen sich Bildungsinstitutionen im ländlichen Raum eher auf traditionelle Lehrmethoden, obwohl das computergestützte Lernen effizientere Lernprozesse anstoßen könne.
Workshop zu kulturellen Aspekten von Informationskompetenz
Am Ende der Tagung wurden in einem Workshop, zu dem alle Tagungsgäste eingeladen waren, die unterschiedlichen Perspektiven auf Informationskompetenz in Fokusgruppen verdichtet. Die in acht Gruppen eingeteilten Teilnehmenden konnten in Breakout-Rooms unter der Leitung der Moderierenden Dr. Thomas P. Mackey, Trudi E. Jacobson (beide State University of New York, USA), Professor Dr. Thomas Mandl (Stiftung Universität Hildesheim), Dr. Tessy Thadathil, Anya Jamwal (beide Symbiosis College of Arts and Commerce Pune, Indien), Dr. Mario Hibert, Dr. Emir Vajzović (beide Universität Sarajevo, Bosnien und Herzegowina) und Sophie März (Stiftung Universität Hildesheim) die vorangegangenen Diskussionen vertiefen. Im Anschluss daran fand man sich wieder im Plenum zusammen, um die Ergebnisse gemeinsam zu diskutieren. Die Teilnehmenden beschäftigte insbesondere der kulturelle Aspekt der Informationskompetenz dahingehend, wie sich dieser genauer erfassen lässt. Informationskompetenz sei ein vielfältiges Konzept und Interkulturalität ein wesentlicher, nicht zu trennender Teil davon. Zudem lasse sich die Interkulturalität nicht nur an nationalen Grenzen bemessen, sondern müsse auch innerhalb heterogener Gesellschaften in Betracht gezogen werden. Letztlich sei interkulturelle Informationskompetenz ein hilfreiches Instrument, um Informationen aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten und einordnen zu können.
Langfristige Ziele des Projekts sind die Erweiterung internationaler Partnerschaften, um die interkulturelle Perspektive auf Informationskompetenz noch mehrdimensionaler zu gestalten.
Ein weiterer, mehrtägiger Workshop findet im Juli 2021 in Hildesheim statt.
Deskriptoren: Tagung, Universität Hildesheim, Projekt, Informationskompetenz, Medien, Interkulturelle Kommunikation, International, Open Educational Resources
Weitere Information finden sich auf der Website des Projekts: https://ipil.blog.uni-hildesheim.de/
Alle Vorträge der Tagung stehen auf YouTube zur Verfügung: https://www.youtube.com/channel/UCWoQVglkajEOG4qVZHdTXcw
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