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Publicly Available Published by De Gruyter Saur April 24, 2021

Informationskompetenz und ihre Rolle für die Demokratie

IDESA 2020 Online-Konferenz am 4. Dezember 2020 in Sarajewo

  • Thomas Mandl EMAIL logo and Mario Hibert

Die Fakultät für Politikwissenschaften der Universität Sarajevo war Gastgeber der internationalen Online-Konferenz „Information Literacy and Democracy: The Role of Information Experts for Civic Development in Bosnia and Herzegovina“ – IDESA 2020 am 4. Dezember 2020. Dabei wurden heterogene Aspekte der Medien- und Informationskompetenz diskutiert. Ein besonderer Schwerpunkt lag auf der Rolle von Information Professionals für die zivilgesellschaftliche Entwicklung in Bosnien und Herzegowina.

Die IDESA-Konferenz stellt eine Fortsetzung des Projekts Information Literacy and Democracy (IDE) der Universität Hildesheim dar, in dessen Rahmen im Juni des gleichen Jahres schon eine Online-Konferenz stattfand (https://informationskompetenz.blog.uni-hildesheim.de/conference-june-2020/). Auf der Konferenz sprachen Fachleute aus dem Gebiet der Informationswissenschaft, Kommunikationswissenschaft und verwandter Disziplinen aus Deutschland, Serbien, Montenegro, Kroatien sowie Bosnien und Herzegowina. Zudem war die Zivilgesellschaft durch Vertretende der OSZE, UNICEF und der UNESCO eingebunden.

Informationskompetenz ist eine Grundvoraussetzung lebenslangen Lernens, einer kompetenten Ausübung beruflicher Tätigkeiten und der Teilhabe und Mitwirkung im öffentlichen Raum. Demokratie beruht auf Diskurs und der Bereitschaft, die Perspektiven Anderer als mögliche Standpunkte anzuerkennen. Voraussetzung um einen sachlich-zielführenden Diskurs führen zu können (neben weiteren Aspekten) ist die Fähigkeit eine fundierte Wissensbasis erschließen zu können. Hierfür es notwendig über Informationskompetenz zu verfügen und diese anzuwenden.

Die Ausstattung von Schul-Bibliotheken stellt in den Ländern des Westbalkans eine Besonderheit dar. Jede Schule verfügt über eine Bibliothek und muss dort eine ausgebildete Fachkraft beschäftigen. Diese werden in der Informationswissenschaft ausgebildet und müssen sich zunehmend der Realitäten der Digitalisierung der Informationsversorgung stellen. Diese Schul-Bibliothekarinnen und Schul-Bibliothekare sind in Bosnien-Herzegowina und Kroatien wichtige Multiplikatoren, die helfen können, Informationskompetenz zu vermitteln.

Dabei nimmt Bosnien und Herzegowina eine politische Sonderstellung ein. Das Friedensabkommen von Dayton hat einen Status-Quo definiert, der dem Land einen Stillstand beschert und ethnisch orientierte politische Parteien hervorgebracht hat. Nur die langfristige Entwicklung einer Bürgergesellschaft kann die faktische Aufteilung des Landes überwinden.

Als Beitrag dazu wird in einem Projekt der Universität Hildesheim und der Universität von Sarajewo die Rolle der Informationskompetenz für demokratische Entscheidungsprozesse und die Zivilgesellschaft wissenschaftlich beleuchtet und mit Vertretenden der Zivilgesellschaft und der Schul-Bibliotheken erörtert.

Trotz der Entwicklung neuer Technologien und der wachsenden Rolle der Medien in der Gesellschaft gibt es in Bosnien und Herzegowina kaum staatliche Maßnahmen oder öffentliche Diskussionen zu Fragen der Medien- und Informationskompetenz (MIL). Diese muss aber als Grundvoraussetzung für den zivilen Diskurs und folglich für demokratische Prozesse betrachtet werden. Lehrpläne berücksichtigen MIL nur unzureichend. Lehrkräfte verfügen oft weder über die notwendigen Kompetenzen noch über Zugang zu qualitativ hochwertigen Materialien für den Unterricht. IDESA bildet ein Forum zum Austausch zwischen Pädagogen, Informationsfachleuten, Studierenden und Organisationen. Wichtig ist die Förderung digitaler Kompetenzen und Fähigkeiten, um sich in der Informations- und Medienlandschaft zurechtzufinden, ohne den Fallstricken der vernetzten Manipulation zu erliegen. Gerade mit Sicht auf die beschleunigte Entwicklung und Transformation des digitalen Lernens sollte die Informationskompetenz kontinuierlich diskutiert werden.

Die Konferenz bestand aus drei großen Sektionen. Die Eröffnungs-Session umfasste eine Einleitung der Gastgeber (Emir Vajzović, Mario Hibert, Thomas Mandl) zu den Zielen der Konferenz und den Projekten Informationskompetenz und Demokratie an der Universität Hildesheim (Thomas Mandl, Joachim Griesbaum und Daphné Çetta) sowie Informations- und Medienkompetenz an der Universität Sarajevo (Emir Vajzović und Mario Hibert). Danach hielt Petar Jandić von der Universität Zagreb eine Keynote mit dem Titel „Digital Learning and Information Profession“. Er wies nicht zuletzt auf die wichtige Rolle der Kollaboration hin, welche allerdings auch wieder digitale Kompetenzen erfordert.

Die erste Sektion gestalteten Vertretende internationaler Organisationen, die durch Vorträge die Auseinandersetzug mit der Zivilgesellschaft suchten. Es sprachen Siniša Šešum vom Regional Bureau der UNESCO, Sanja Kabil, Head of UNICEF Education Department in Bosnia and Herzegovina und Željka Šulc, Press and Public Information Unit der OSZE Mission. Sie prägten verschiedene Bilder der Informationskompetenz und ihrer Rolle für demokratische Prozesse.

Die zweite Sektion bot Präsentationen von Medien- und Informationsfachleuten, die Pläne und Überlegungen zur Förderung von Medien- und Informationskompetenz thematisierten. Die Podiumsteilnehmenden diskutierten die Umsetzung und Bedeutung von MOOCs (Massive Online Open Course), OER (Open Educational Resources) und anderen Ansätzen zur Förderung der Informationskompetenz. Die Teilnehmenden der Tactical Session waren eingeladen, Video-Abstracts (max. 10 Minuten) einzureichen, in denen sie ihre Ideen für die Online-Diskussion präsentieren. Diese sind nun auf dem YouTube-Kanal der Konferenz verfügbar.

Milijana Mičunović von der Universität Osijek betonte die Rolle von Fehlinformation, die oft durch die problematische Logik von Märkten entsteht. Sie plädierte, dass als Lösung nicht nur Technologie ins Spiel gebracht werden sollte, sondern gerade kritisches Denken durch vielfältige Initiativen in der Bildung gestärkt werden sollte. Studierende stellten als Ergebnis eines gemeinsamen Kurses ein Animationsvideo vor, das die Bedeutung der Bewertung von Informationen unterhaltend vermitteln will. Lejla Hajdarpašić und Džejla Khattab (University of Sarajevo) sprachen über die Offenen Bildungsressourcen in Bosnien und wiesen auf den Mangel an OER in den lokalen Sprachen hin.

Ana Milojević von der Universität Belgrad zeigte anhand einer Befragung von Lehrkräften während der Corona-Krise, welche Hürden sie für das digitale Lernen wahrnahmen. Dabei traten erhebliche Schwierigkeiten beim Zugang zu digitalen Ressourcen für die Lernenden auf.

Alle Vortragende diskutierten Herausforderungen, denen wir in der digitalen Umgebung gegenüberstehen. Die Entwicklung und digitale Transformation des Lernens verdeutlicht die Bedeutung der Informationskompetenz. Die Verbesserung der Fähigkeit, sich in der Informations- und Medienlandschaft zurechtzufinden, ohne Manipulationen zu erliegen, wird üblicherweise als eine Reihe von multiplen Fähigkeiten wahrgenommen, die benötigt werden, um das Leben in der digitalen Umwelt souverän zu gestalten. Die Teilnehmenden betonten, dass Medien- und Informationskompetenz als Prozess und als Grundvoraussetzung für den zivilgesellschaftlichen Diskurs und demokratische Prozesse verstanden werden sollte.

Das Projekt ILI-Doc und die Tagung IDESA wurden gefördert vom DAAD aus Mitteln des Auswärtigen Amts (AA). Gegen Ende 2021 soll eine weitere IDESA Konferenz stattfinden.

Weitere Informationen über die Konferenz in Sarajevo stehen online: https://fpn.unsa.ba/b/information-literacy-and-democracy-conference-2020/

Die gesamte Konferenz wurde online gestreamt und ist auf einem YouTube-Kanal verfügbar: https://www.youtube.com/watch?v=zaNe2-jSEds

Deskriptoren: Virtuelle Tagung, Tagungsbericht, Informationskompetenz, Universität Hildesheim, Universität Sarajevo

Online erschienen: 2021-04-24
Erschienen im Druck: 2021-04-26

© 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 11.3.2025 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/iwp-2021-2152/html
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